Kapitel V
DER PRÄSIDENT DER REPUBLIK POLEN
Artikel 126
1. Der Präsident der Republik Polen ist der oberste Vertreter der Republik Polen und der Gewährsmann der Fortdauer der Staatsgewalt.
2. Der Präsident der Republik Polen wacht über die Einhaltung der Verfassung, hütet die Souveränität und die Sicherheit des Staates sowie Integrität und Unteilbarkeit dessen Staatsgebiets.
3. Der Präsident der Republik Polen übt seine Aufgaben im Umfang und gemäß den in der Verfassung und Gesetzen bestimmten Grundsätzen aus.
Artikel 127
1. Der Präsident der Republik Polen wird vom Volk in allgemeiner, gleicher, unmittelbarer und geheimer Wahl gewählt.
2. Der Präsident der Republik Polen wird für eine Amtszeit von fünf Jahren gewählt. Die Wiederwahl ist nur einmal zulässig.
3. Zum Präsidenten der Republik Polen kann jeder polnischer Staatsangehöriger gewählt werden, der spätestens am Wahltag das 35. Lebensjahr vollendet hat und bei den Sejmwahlen das volle Wahlrecht genießt. Der Kandidat wird von mindestens 100.000 Staatsbürgern, die das Wahlrecht in den Sejm haben, aufgestellt.
4. Als Präsident der Republik Polen ist der Kandidat gewählt, der mehr als die Hälfte der abgegebenen gültigen Stimmen erhalten hat. Erhält keiner der Kandidaten die erforderliche Mehrheit, wird am vierzehnten Tag nach der ersten Wahl erneute Wahl durchgeführt.
5. In der erneuten Wahl wird zwischen den beiden Kandidaten gewählt, die in der ersten Abstimmung die meisten Stimmen erhalten haben. Zieht einer der Kandidaten seine Zustimmung zum Kandidieren zurück, verliert er das Wahlrecht oder stirbt, wird an seiner Stelle dieser der Kandidaten zugelassen, der in der ersten Wahl die nachfolgend höchste Stimmenzahl erhalten hat. In diesem Fall verschiebt sich das Datum der erneuten Wahl um weitere vierzehn Tage.
6. Als Präsident der Republik Polen ist der Kandidat gewählt, der in der erneuten Wahl die meisten Stimmen erhalten hat.
7. Grundsätze und Verfahrensweise der Aufstellung von Kandidaten zur Präsidentschaftswahl, ihre Durchführung sowie die Bedingungen ihrer Gültigkeit regelt das Gesetz.
Artikel 128
1. Die Amtszeit des Präsidenten beginnt mit dem Tag der Amtsübernahme.
2. Den Tag der Präsidentschaftswahlen setzt der Marschall des Sejm auf einen Tag nicht früher als hundert Tage und nicht später als fünfundsiebzig Tage vor dem Ablauf der Amtszeit des amtierenden Präsidenten fest. Endet die Amtszeit des Präsidenten der Republik Polen vorzeitig, setzt der Marschall des Sejm innerhalb von vierzehn Tage nach Amtserledigung den Wahltag fest. Der Wahltag ist auf einen arbeitsfreien Tag festzusetzen ist, der innerhalb eines Zeitraums von sechzig Tagen nach dem Tag der Wahlanordnung liegt.
Artikel 129
1. Die Gültigkeit der Präsidentschaftswahl wird vom Obersten Gericht festgestellt.
2. Dem Wähler steht das Recht zu, beim Obersten Gericht Einspruch gegen die Gültigkeit der Wahl zum Präsidenten der Republik Polen gemäß den im Gesetz bestimmten Grundsätzen einzulegen.
3. Falls die Wahl des Präsidenten der Republik Polen für ungültig erklärt wird, ist eine neue Wahl gemäß den in Art. 128 Abs. 2 festgesetzten Grundsätzen bei der vorzeitigen Erledigung des Präsidentenamtes durchzuführen.
Artikel 130
Der Präsident der Republik Polen tritt das Amt an, nachdem er vor der Nationalversammlung den folgenden Eid geleistet hat:
<192>Gemäß dem Willen des Volkes trete ich das Amt des Präsidenten der Republik Polen an und schwöre feierlich, daß ich den Bestimmungen der Verfassung treu bleiben, die Würde des Volkes, die Unabhängigkeit und die Sicherheit des Staates unbeugsam wahren werde und daß das Wohl des Vaterlandes und das Wohlergehen der Staatsbürger mir immer die höchste Pflicht werden.<169>
Der Eid kann auch unter Hinzufügung des Satzes: "so wahr mir Gott helfe" geleistet werden.
Artikel 131
1. Kann der Präsident der Republik Polen sein Amt vorübergehend nicht ausüben, teilt er das dem Sejmmarschall mit, der vorübergehend die Pflichten des Präsidenten der Republik Polen übernimmt. Ist der Präsident der Republik Polen nicht imstande, dem Sejmmarschall mitzuteilen, daß er zur Amtsausübung unvermögend ist, stellt der Verfassungsgerichtshof auf Antrag des Sejmmarschalls die Hinderung an der Amtsausübung fest. Erklärt er den Präsidenten der Republik Polen für vorübergehend unvermögend, das Präsidentenamt auszuüben, überträgt der Verfassungsgerichtshof die vorübergehende Erfüllung der Pflichten des Präsidenten der Republik Polen dem Marschall des Sejm.
2. Der Sejmmarschall übt in folgenden Fällen bis zur Wahl des neuen Präsidenten der Republik die Pflichten des Präsidenten vorübergehend aus:
1) Tod des Präsidenten der Republik,
2) Verzicht auf das Amt des Präsidenten der Republik,
3) Feststellung der Ungültigkeit der Präsidentschaftswahl oder andere Gründe wegen deren der Präsident das Amt nicht antritt,
4) Erklärung durch die Nationalversammlung, daß der Präsident der Republik aus gesundheitlichen Gründen dauerhaft zur Amtsausübung unvermögend ist. Diese Erklärung muß mit einer Mehrheit von mindestens zwei Dritteln der gesetzlichen Mitgliederzahl der Nationalversammlung beschlossen werden.
5) Amtsenthebung durch ein Urteil des Staatsgerichtshofes.
3. Kann der Sejmmarschall die Pflichten des Präsidenten nicht erfüllen, werden sie vom Senatsmarschall übernommen.
4. Die Person, die die Pflichten des Präsidenten erfüllt, darf einen Beschluß über die Verkürzung der Amtszeit des Sejm nicht fassen.
Artikel 132
Der Präsident der Republik Polen darf weder anderes Amt ausüben noch andere öffentliche Funktion erfüllen mit Ausnahme derer, die mit dem Präsidentenamt verbunden sind.
Artikel 133
1. Der Präsident der Republik Polen als Vertreter des Staates in äußeren Beziehungen
1) ratifiziert und kündigt völkerrechtliche Verträge, wovon er dem Sejm und dem Senat Mitteilungen macht,
2) ernennt bevollmächtigte Vertreter der Republik Polen in anderen Staaten und bei internationalen Organisationen und beruft sie ab,
3) akzeptiert Beglaubigungs- und Abberufungsschreiben der bei ihm akkreditierten diplomatischen Vertreter anderer Staaten und internationaler Organisationen.
2. Der Präsident der Republik Polen kann sich vor Ratifizierung eines völkerrechtlichen Vertrages an den Verfassungsgerichthof mit einem Antrag wenden bezüglich der Vereinbarkeit des Vertrages mit der Verfassung.
3. Der Präsident der Republik Polen arbeitet im Bereich der Außenpolitik mit dem Vorsitzenden des Ministerrates und dem zuständigen Minister zusammen.
Artikel 134
1. Der Präsident der Republik Polen ist der oberste Vorgesetzte der Streitkräfte der Republik Polen.
2. In der Friedenszeit übt der Präsident seine Vorgesetztengewalt über die Streitkräfte mittelbar durch den Minister für Nationale Verteidigung aus.
3. Der Präsident der Republik Polen ernennt den Chef des Generalstabs und die Befehlshaber der Teilstreikräfte auf bestimmte Zeit. Amtszeit, Verfahrensweise und Bedingungen der vorzeitigen Abberufung regelt das Gesetz.
4. Für die Kriegszeit ernennt der Präsident der Republik Polen auf Vorschlag des Vorsitzenden des Ministerrates den Obersten Befehlshaber der Streitkräfte. Gemäß derselben Verfahrensweise kann er den Obersten Befehlshaber abberufen. Die Zuständigkeiten des Obersten Befehlshabers und Grundsätze seiner Unterstellung unter die verfassungsmäßigen Organen der Republik Polen regelt das Gesetz.
5. Der Präsident der Republik Polen verleiht auf Vorschlag des Ministers für Nationale Verteidigung die im Gesetz bestimmten Militärdienstgrade.
6. Zuständigkeiten des Präsidenten der Republik Polen, die mit der Vorgesetztengewalt über die Streitkräfte verbunden sind, werden ausführlich vom Gesetz geregelt.
Artikel 135
Der Rat für Nationale Sicherheit ist ein Organ zur Beratung des Präsidenten der Republik im Bereich der inneren und äußeren Sicherheit.
Artikel 136
Im Fall einer unmittelbaren äußeren Bedrohung des Staates ordnet der Präsident der Republik Polen auf Antrag des Vorsitzenden des Ministerrates die volle oder teilweise Mobilmachung der Streitkräfte und deren Einsatz bei der Verteidigung der Republik Polen an.
Artikel 137
Der Präsident der Republik Polen erkennt die polnische Staatsangehörigkeit zu und gibt die Zustimmung zum Verzicht auf die polnische Staatsangehörigkeit.
Artikel 138
Der Präsident der Republik Polen verleiht Orden und Auszeichnungen.
Artikel 139
Der Präsident der Republik Polen übt das Begnadigungsrecht aus. Das Begnadigungsrecht findet im Fall der vom Staatsgerichtshof verurteilten Personen keine Anwendung.
Artikel 140
Der Präsident der Republik Polen kann sich an den Sejm, an den Senat oder an die Nationalversammlung mit einer Botschaft wenden. Die Botschaft ist nicht Gegenstand einer Debatte.
Artikel 141
1. In den Angelegenheiten von besonderer Bedeutung kann der Präsident den Kabinettsrat einberufen. Den Kabinettsrat bildet der Ministerrat, der unter der Leitung des Präsidenten der Republik Polen berät.
2. Dem Kabinettsrat stehen die Zuständigkeiten des Ministerrates nicht zu.
Artikel 142
1. Der Präsident der Republik Polen erläßt Rechtsverordnungen und Anordnungen gemäß den in dem Art. 92 und 93 bestimmten Grundsätzen.
2. Der Präsident der Republik Polen erläßt Bestimmungen bezüglich der Durchführung seiner übrigen Zuständigkeiten.
Artikel 143
Der Hilfsorgan des Präsidenten der Republik Polen ist die Kanzlei des Präsidenten der Republik Polen. Der Präsident der Republik erläßt die Satzung sowie beruft und entläßt den Chef der Kanzlei des Präsidenten der Republik Polen.
Artikel 144
1. In Ausübung seiner verfassungsmäßigen und gesetzlichen Zuständigkeiten erläßt der Präsident der Republik Polen Amtsakte.
2. Amtsakte des Präsidenten der Republik bedürfen zu ihrer Gültigkeit der Gegenzeichnung des Vorsitzenden des Ministerrates, der infolge der Unterzeichnung die Verantwortung vor dem Sem trägt.
3. Die Vorschrift des Abs. 2 gilt nicht für:
1) die Anordnung von Wahlen in den Sem und in den Senat,
2) die Einberufung der ersten Sitzung des neugewählten Sejm und des Senats,
3) die Verkürzung der Amtszeit des Sejm in den von der Verfassung bestimmten Fällen,
4) Gesetzesvorschläge,
5) die Anordnung einer landesweiten Volksabstimmung,
6) die Unterzeichnung eines Gesetzes oder die Verweigerung der Unterzeichnung,
7) die Anordnung über die Veröffentlichung eines Gesetzes oder eines völkerrechtlichen Vertrags in Gesetzesblatt der Republik Polen,
8) eine Botschaft an den Sejm, den Senat oder die Nationalversammlung,
9) die Anrufung des Verfassungsgerichtshof,
10) den Untersuchungsantrag an die Oberste Kontrollkammer,
11) die Bestimmung und Berufung des Vorsitzenden des Ministerrates,
12) die Entgegennahme des Rücktritts vom Ministerrat sowie dessen Betrauung mit vorübergehenden Fortführung der Amtsgeschäfte,
13) den Antrag an den Sejm, einen Mitglied des Ministerrates vor dem Staatsgerichtshof zur Verantwortung zu ziehen,
14) die Abberufung eines Ministers, dem der Sejm Mißtrauen ausgesprochen hat,
15) die Einberufung des Kabinettsrates,
16) die Verleihung von Orden und Auszeichnungen,
17) die Berufung von Richtern,
18) die Ausübung des Begnadigungsrechts,
19) die Zuerkennung der polnischen Staatsangehörigkeit und Zustimmung zu dem Verzicht auf diese,
20) die Berufung des Ersten Präsidenten des Obersten Gerichts,
21) die Berufung des Präsidenten und des stellvertretenden Präsidenten des Verfassungsgerichtshofes,
22) die Berufung des Präsidenten des Obersten Verwaltungsgerichts,
23) die Berufung der Präsidenten des Obersten Gerichts und der stellvertretenden Präsidenten des Obersten Verwaltungsgerichts,
24) den Antrag an den Sejm, den Präsidenten der Polnischen Nationalbank zu berufen,
25) die Berufung der Mitglieder des Rates für Geldpolitik,
26) die Berufung und die Abberufung der Mitglieder des Rates für Nationale Sicherheit,
27) die Berufung der Mitglieder des Landesrates für Rundfunk und Fernsehen,
28) den Erlaß der Satzung der Präsidialkanzlei sowie Berufung oder Entlassung des Chefs der Präsidialkanzlei,
29) der Erlaß von Anordnungen gemäß den im Art. 93 bestimmten Grundsätzen,
30) den Verzicht auf das Amt des Präsidenten der Republik.
Artikel 145
1. Wegen Verletzung der Verfassung, des Gesetzes oder wegen Begehung einer Straftat kann der Präsident der Republik Polen vor dem Staatsgerichthof zur Verantwortung gezogen werden.
2. Die Anklage gegen den Präsidenten wird durch Beschluß der Nationalversammlung erhoben. Der Beschluß erfordert eine Mehrheit von mindestens zwei Dritteln der Stimmen der gesetzlichen Mitgliederzahl der Nationalversammlung und wird auf Antrag von mindestens 140 Mitgliedern der Nationalversammlung gefaßt.
3. Ab dem Tag, an dem der Beschluß, den Präsidenten der Republik vor dem Staatsgerichtshof anzuklagen, gefaßt worden ist, wird der Präsident der Republik von der Ausübung seines Amtes suspendiert. Die Vorschrift des Art. 131 findet entsprechende Anwendung.